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Beate Kallweit

Betriebliches Eingliederungsmanagement


- Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber kranken Beschäftigten -

Seit 01.05.2004 ist in § 84 Abs. 2 SGB IX für alle Beschäftigten und nicht nur gegenüber schwerbehinderten Menschen ein so genanntes "betriebliches Eingliederungsmanagement" vorgesehen. Durch Rehabilitation sollen krankheitsbedingte Kündigungen bei allen Arbeitnehmern mit Hilfe eines betrieblichen Eingliederungsmanagements verhindert werden.

Auf die Größe des Betriebes, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, kommt es nicht an.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Anwendung des betrieblichen Eingliederungsmanagement setzt voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig ist.

Daher ist die Verpflichtung nach § 84 Abs. 2 SGB IX bereits einschlägig, selbst wenn die aufgetretenen Fehlzeiten mangels zukünftiger Wiederholungsgefahr keine krankheitsbedingte Kündigung rechtfertigen würden.

Da der Arbeitgeber in diesem frühen Stadium oder überhaupt keine Kenntnis über die zur Arbeitsunfähigkeit führende Krankheit hat, ist er zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements auf die Zustimmung und Beteiligung des Betroffenen angewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat bislang eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Offenlegung der Krankheit vor Ausspruch der Kündigung auf Anfrage des Arbeitgebers verneint (BAG, 12.04.2002, MDR 2002, 1255).

Der Arbeitgeber muss daher nach dieser Vorschrift den Arbeitnehmer über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen verwendeten Daten hinweisen.

Verweigert der Betroffene die erforderliche Zustimmung oder äußert er sich überhaupt nicht, findet kein betriebliches Eingliederungsmanagement statt.

Arbeitgeber sind gut beraten, sich die Aufforderung und die Information an den Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Einführung des betrieblichen Eingliederungsmanagement schriftlich bestätigen zu lassen.

Der Arbeitgeber muss bei Einführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements mit den Betroffenen unter Einbindung des Betriebsrates und gegebenenfalls der Schwerbehindertenvertretung klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann und welche Leistungen und Hilfen zur Unterstützung des Arbeitnehmers erforderlich sind. Der Arbeitgeber kann die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzuziehen.

Will der Arbeitgeber im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements Maßnahmen des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz für den Mitarbeiter einführen, unterliegt dies der zwingenden betrieblichen Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Es bedarf daher der vorherigen Zustimmung des Betriebsrates.

Die Rechtsfolgen bei Unterlassen des betrieblichen Eingliederungsmanagements sind noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Individualrechtlich könnte eine krankheitsbedingte Kündigung, die ohne die nötige Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ausgesprochen wird, unverhältnismäßig und damit sozialwidrig und unwirksam sein. Denn es wird nicht auszuschließen sein, dass mit Hilfe des betrieblichen Eingliederungsmanagements ein geeignetes Mittel zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigung gegeben ist.

Ohne versuchtes Eingliederungsmanagement könnte die Kündigung als nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig angesehen werden, weil ein anderes gleich geeignetes, aber milderes Mittel zur Verfügung steht.

Wird das betriebliche Eingliederungsmanagement von den Arbeitsvertragsparteien angenommen, ermöglicht sie für den Arbeitgeber in einem frühen Stadium die Kenntnis der Krankheitsursache und damit auch die Einschätzung des Prozessrisikos bei einer angestrebten Kündigung.

Der Arbeitgeber muss sich vor Augen führen, dass häufig krankheitsbedingte Kündigungen im Kündigungsschutzprozess ein Eigenleben erfahren.

Erst in diesem Verfahrensstand muss der Arbeitnehmer, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers, dass die negative Gesundheitsprognose zu Unrecht getroffen wurde, entkräften will, seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden.

Das bedeutet, dass der Arbeitgeber häufig erst sehr spät im Prozess, meist erst lange nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers erfährt, dass eine negative Gesundheitsprognose unzutreffend war und damit die Kündigung unwirksam ist.

Insofern erleichtert die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements die realistische Einschätzung des Prozessrisikos vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung.

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