Dr. Dana Michele, Partnerin

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Sozialrecht, Fachanwältin für Steuerrecht

Rechtsanwältin Dr. Dana Michele

Startseite \ Wir in den Medien \ Mandanteninformationen \ Dr. Dana Michele

Mandanteninformationen

Dr. Dana Michele

Droht eine rückwirkende Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Leiharbeitnehmern?


Eine Vielzahl von Personalvermittlungsunternehmen gerät derzeit in das Visier der Deutschen Rentenversicherung. Betroffen sind Unternehmen, die ihre Leiharbeitnehmer auf Grundlage von Tarifverträgen mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) geringer als die Stammarbeitnehmer der entleihenden Unternehmen vergütet haben. Die Deutsche Rentenversicherung fordert - oftmals nach einer durchgeführten Betriebsprüfung - rückwirkend die Zahlung von erhöhten Sozialversicherungsbeiträgen. Auslöser ist eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Dezember 2010, Az.: 1 ABR 19/10. In diesem Verfahren hatte das BAG über die sog. Tariffähigkeit der CGZP zu befinden. Das BAG entschied, dass die CGZP weder als Gewerkschaft nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) noch nach § 2 Abs. 3 TVG als Spitzenorganisation tariffähig ist.

Unter der sog. Tariffähigkeit wird die rechtliche Fähigkeit verstanden, durch Vereinbarung mit dem sozialen Gegenspieler Arbeitsbedingungen tarifvertraglich mit der Wirkung zu regeln, dass sie für die tarifgebundenen Personen unmittelbar und unabdingbar wie Rechtsnormen gelten.

Die Tariffähigkeit ist Voraussetzung für den Abschluss von Tarifverträgen.

Dass die Tariffähigkeit fehlt, hat das BAG aber in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2010 ausdrücklich nur für die Gegenwart entschieden. Ob es auch in der Vergangenheit an der Tariffähigkeit der CGZP gefehlt hat, ist bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden. Vor dem BAG sind derzeit bereits mehrere Verfahren anhängig, die sich mit der Tariffähigkeit der CGZP für vergangene Zeiträume beschäftigen. Die Frage der Rückwirkung wird das BAG wohl zeitnah beantworten. Wie die Antwort ausfallen wird, wird abzuwarten bleiben. Die Landesarbeitsgerichte, die sich bisher mit dieser Problematik beschäftigt haben, vertreten voneinander abweichende Auffassungen.

Aufgrund des Umstands, dass nach der o.g. BAG-Entscheidung zugunsten der Leiharbeitnehmer höhere Löhne zu zahlen sind, fordert die Deutsche Rentenversicherung nunmehr auch entsprechend erhöhte Sozialversicherungsbeiträge, unabhängig davon, ob der Leiharbeitnehmer tatsächlich (rückwirkend) ein höheres Entgelt erhalten hat.

Die Deutsche Rentenversicherung berechnet die Nachforderung aus der Differenz zwischen dem von dem Zeitarbeitsfirmen gemeldeten Arbeitsentgelt und dem Arbeitsentgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer. In diesem Bereich arbeitet die Deutsche Rentenversicherung mit Schätzungen, da eine konkrete Berechnung für jeden Einzelfall zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen würde.

Wie die Sozialgerichtsbarkeit mit den Nachforderungsbegehren der Deutschen Rentenversicherung umgehen wird, wird sich zeigen. Bisher sind nur wenige Gerichtsentscheidungen aus einstweiligen Rechtsschutzverfahren bekannt. Urteile sind bisher nicht existent.

Betrachtet man die gerichtlichen Entscheidungen zu den anhängigen einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist festzustellen, dass sich bisher keine einheitliche Rechtsprechung abzeichnet. Während einzelne Sozialgerichte nach einer überschlägigen summarischen Prüfung von einer Rechtmäßigkeit des Nachforderungsverlangens ausgehen, erheben sich auch Stimmen, die eine solche Rechtmäßigkeit verneinen. Erwähnt sei an dieser Stelle der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 18. Januar 2012, Az.: S 21 R 1564/11 ER. Selbst wenn das BAG in der Zukunft zugunsten einer Rückwirkung der fehlenden Tariffähigkeit entscheiden sollte, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass auch die beanspruchte Nachforderung der Deutschen Rentenversicherung zu Recht erhoben wird. Denn nach dem Sozialgericht Duisburg wird zu prüfen sein, ob sich die Zeitarbeitsfirmen hinsichtlich des vergangenen Zeitraums auf einen Vertrauensschutz berufen können. So denkt das Sozialgericht unter Verweis auf eine frühere Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1980 an, dass in der nachträglichen Forderung von noch nicht verjährten Sozialversicherungsbeiträgen eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu sehen sein könnte.

Wer das Nachforderungsverlangen der Deutschen Rentenversicherung nicht einfach hinnehmen möchte, muss gegen den entsprechenden Beitragsbescheid form- und fristgerecht Widerspruch, und bei abschlägiger Entscheidung, Klage zum jeweils zuständigen Sozialgericht erheben. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes im Auge zu behalten.

Mandantanteninformation als Druckversion (PDF-Dokument)

H & P Standorte